Wer Sprachdienstleistungen nach anerkannten Standards erbringen will, stößt schnell auf zwei Normen: ISO 17100 und ISO 18587. Beide zielen auf professionelle Übersetzungsqualität – jedoch mit unterschiedlichem Fokus. Hier ist der praxisnahe Vergleich, der Ihnen die Entscheidung erleichtert.
Kurzüberblick
ISO 17100: Standard für menschliche Übersetzungsleistungen (Human Translation, HT) – von der Anfrage bis zur Lieferung, inkl. verpflichtender Revision durch eine zweite qualifizierte Person (Vier-Augen-Prinzip).
ISO 18587: Standard für Post-Editing von maschinellen Übersetzungen (MTPE) – legt fest, wie maschinelle Rohübersetzungen von qualifizierten Post-Editor:innen auf professionelles Niveau gebracht werden.
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Geltungsbereich & Zweck
ISO 17100 deckt den vollständigen Prozess professioneller Übersetzungen ab (Ressourcen, Kompetenzprofile, Projektübernahme, Terminologie, Revision, Lieferung).
ISO 18587 konzentriert sich ausschließlich auf Projekte, in denen MT eingesetzt wird und die durch Post-Editing auf Veröffentlichungsgüte gebracht werden sollen.
Merksatz: 17100 = HT-Prozessstandard. 18587 = MTPE-Prozessstandard.
Kompetenz- und Rollenanforderungen
ISO 17100: Übersetzer:innen und Revisor:innen benötigen formale Qualifikationen (z. B. einschlägiger Abschluss oder definierte Berufspraxis). Revision ist Pflicht und muss von einer zweiten Person erfolgen.
ISO 18587: Post-Editor:innen müssen über Übersetzungskompetenz + MT-spezifische Fähigkeiten verfügen (Fehlermuster erkennen, Produktivität vs. Qualität abwägen, Stil angleichen). Eine zweite Person für abschließende Überprüfung/Review ist gefordert, aber die Tätigkeit ist klar auf Post-Editing ausgerichtet (nicht „neu übersetzen“).
Prozesslogik: HT vs. MTPE
ISO 17100 – typische Schritte
Anfrage & Analyse → Angebot → Ressourcenplanung → Übersetzung (HT) → Revision (2. Person) → Korrekturen → Lieferung → Feedback/Nachpflege.
ISO 18587 – typische Schritte
Eignungsprüfung für MT → MT-Engine/Profil wählen → Post-Editing (light oder full) → Review/Finalisierung → Qualitätssicherung → Lieferung → Rückkopplung in MT- und Terminologie-Optimierung.
Qualitätsziele & Abnahme
ISO 17100: Qualität resultiert primär aus HT + Revision, Terminologie- und Stilkonformität; Mängel werden prozessual (Vier-Augen-Prinzip) abgefangen.
ISO 18587: Qualität resultiert aus zielgerichtetem Post-Editing; die Norm unterscheidet Light (lesbar, sinngemäß, für interne Nutzung) und Full Post-Editing (stilistisch natürlich, veröffentlichungsreif). In der Praxis setzen viele LSPs standardmäßig Full PE ein, wenn die Übersetzung veröffentlicht wird.
LinquaCert-Zertifizierungen
LinquaCert ist die Zertifizierungsstelle für ambitionierte Übersetzungsdienstleister.
Dokumentation & Nachweise
Beide Normen fordern saubere Projekt-, Ressourcen- und Terminologiedokumentation, Vertraulichkeit, Änderungs- und Freigabeprozesse.
ISO 18587 verlangt zusätzlich spezifische Nachweise zur MT-Eignungsprüfung (Domain, Texttyp, Risiken), Anleitung für PE-Level (Light/Full) und Rückkopplung zur kontinuierlichen Verbesserung von Engine/Workflow.
Metriken & Qualitätssicherung
ISO 17100: Fokus auf sprachliche Korrektheit, Terminologie, Stil, Konsistenz, Nachvollziehbarkeit der Revision.
ISO 18587: Zusätzlich MT-spezifische Fehlerklassen (z. B. Halluzinationen, Terminologie-Drift, Strukturfehler), Produktivitätskennzahlen (WPH, PE-Leistung), Qualitätsmetriken (z. B. MQM/DS). Wichtig ist die Messbarkeit, um MTPE wirtschaftlich und qualitätsgesichert zu betreiben.
Kosten, Zeit & Wirtschaftlichkeit
ISO 17100: Höherer Aufwand durch vollständige HT + Pflichtrevision; planbar, besonders für komplexe Inhalte ohne MT-Tauglichkeit.
ISO 18587: Potenzial für kürzere Durchlaufzeiten und bessere Skalierung, wenn Ausgangstexte MT-tauglich sind (klare Syntax, wiederkehrende Strukturen, definierte Terminologie). Ohne MT-Eignung verpufft der Vorteil.
Risiko- und Eignungsprüfung (entscheidend für 18587)
Vor MTPE ist zu klären:
Texttyp & Risiko (juristisch/medizinisch vs. Marketing/Support)
Kundenvorgaben (Tonality, Terminologie, CI)
Sprachenkombination & Domain (Engine-Qualität)
Datenschutz (Engine/Hosting, vertrauliche Inhalte)
Output-Qualität (Pilotlauf mit Stichproben & Metriken)
Nur bei positivem Eignungs-Check lohnt ISO-18587-konformes MTPE.
Entscheidungshilfe: Wann welche Norm?
Setzen Sie auf ISO 17100, wenn …
Inhalte hohes Risiko tragen (rechtlich, medizinisch, sicherheitskritisch).
Markenstil/kreative Wirkung zentral sind.
MT-Output in Ihrer Domäne nicht verlässlich ist.
Setzen Sie auf ISO 18587, wenn …
Volumen und Time-to-Market zählen (Support, Kataloge, Wissensbasen).
Ihre Inhalte MT-tauglich sind und Sie Full PE für Veröffentlichung nutzen.
Sie Produktivität messbar steigern und MT kontinuierlich verbessern wollen.
Best Practice: Beides kombinieren
Viele Organisationen etablieren beide Standards parallel:

